Schweizer Diplomatie
Am 1. Januar trat Guy Parmelin sein Amt als neuer Bundespräsident an. Doch was nützt ein Präsident in einem Land, in dem die Exekutive aus sieben gleichberechtigten «Ministern» besteht? Und vor allem, was ist seine Rolle in der Aussenpolitik des Landes? Aufklärung.
Die Vereinigten Staaten sind nicht das einzige Land, welches im Januar 2021 seinen Präsidenten gewechselt hat, denn in der Schweiz trat, wie jedes Jahr, am 1. Januar der Bundespräsident, diesmal in Gestalt des SVP (rechtskonservativen) Waadtländers Guy Parmelin sein Amt an, welcher somit die Berner Sozialistin Simonetta Sommaruga ablöst. Ausserdem übernahm der FDP (rechtsliberale) Tessiner Ignazio Cassis das Amt des Vizepräsidenten.
Doch hier hört der Vergleich schon auf, denn die Herausforderungen und Kompetenzen dieses höchsten Amtes unterscheiden sich radikal zwischen Bern und Washington, und überhaupt zwischen der Schweiz und der Mehrheit der Länder der Welt.
Die Schweizer Regierung ist eine kollegiale Exekutive, welche aus sieben Bundesräten («Ministern») besteht, welche alle gleichberechtigt sind und alle Entscheidungen gemeinsam treffen, notfalls durch eine Abstimmung. Jedes Bundesratsmitglied ist ausserdem auch für sein Departement verantwortlich. Sobald die MinisterInnen der stärksten Parteien des Landes ihr Amt antreten, sind sie verpflichtet, die Position der gesamten Regierung zu vertreten, auch wenn diese gegen ihre Partei gerichtet sein kann. Dieses einzigartige System der Schweiz findet sich auch auf kantonalem Niveau und in den Gemeinden.
Es gibt jedoch die Funktion des Präsidenten/der Präsidentin der Eidgenossenschaft, die jährlich, dem Dienstalter entsprechend, unter den Ministern rotiert. Auch wenn «Erster unter Gleichen», hat der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin keine Macht über die anderen sechs Ratsmitglieder und leitet weiter sein Departement («Ministerium»).
Obwohl diese Funktion also rein ehrenamtlich ist und der Bundespräsident strenggenommen kein Staatsoberhaupt ist, wird er dennoch bei offiziellen Besuchen von ausländischen Staatsoberhäuptern als solches empfangen, so zum Beispiel, als Ueli Maurer, Präsident 2019, von Donald Trump im Weißen Haus empfangen wurde, oder letztes Jahr bei den Besuchen von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Österreich, Polen und der Ukraine.
Die Rolle des EDA
Der Bundespräsident hat somit eine repräsentative Rolle, auch wenn er nicht derjenige ist, der die Aussenpolitik des Landes umsetzt, sondern das Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und die Entscheidungen, die vom gesamten Bundesrat getroffen werden.
Dieses Departement wird seit 2017 von Ignazio Cassis geleitet, der seit dem 1. Januar Vizepräsident ist und im nächsten Jahr die Bundespräsidentschaft übernehmen wird. So werden im Jahr 2022 der “Aussenminister” und der Präsident ein und dieselbe Person sein. Dies war ursprünglich die Norm, denn seit der Gründung des Bundesrates im Jahr 1847 stand der Bundespräsident für ein Jahr an der Spitze des Politischen Departements (Name des EDA zwischen 1847 und 1887). Dieser Wechsel an der Spitze des Schweizer Aussenministeriums endete 1888, mit einer Ausnahme zwischen 1896 und 1914. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten besteht aus einem Generalsekretariat, sieben Abteilungen und einem Staatssekretariat, welches Strategien und Richtlinien für die schweizerische Aussenpolitik entwickelt und die Aussenpolitik mit den anderen Bundesdepartements koordiniert. An der Spitze des Staatssekretariats steht die Staatssekretärin, seit 2015 besetzt von der Berufsdiplomatin Livia Leu Agosti.
Doch trotz seiner offensichtlich wichtigen Bedeutung im Umgang mit dem Ausland wurde das EDA in Bern oft als nachrangiges Departement betrachtet, im Schatten der Departemente für Finanzen, Wirtschaft, des Inneren und der Infrastruktur. So war es oft der französisch- oder italienischsprachigen Bevölkerung vorbehalten. Ein bemerkenswertes Detail ist, dass das EDA seit 1917 nur während neun Jahren von einer deutschsprachigen Person geleitet wurde!
Darüber hinaus kann die Rolle der Vertretung auch einem anderen Mitglied der Bundesregierung übertragen werden, wie dies der Fall war, als Alain Berset, der Bundesrat zuständig für die Gesundheit, von Emmanuel Macron eingeladen wurde, um der Parade am 14. Juli 2020 teilzunehmen, neben den Gesundheitsministern Österreichs, Luxemburgs und Deutschlands.
In der Zwischenzeit wird Guy Parmelin diesen Monat seinen ersten offiziellen Besuch in Wien antreten. Eine erste Reise in die österreichische Hauptstadt ist seit langem Tradition aller Schweizer Bundespräsidenten.
Quellen:
Swissinfo, Administration Fédérale, Le Temps